Special Winner 2025

Wie ein nachhaltiger Gedanke zur Marke wurde

Martin Höfeler gilt als Pionier der deutschen Fair-Fashion-Szene. Mit Armedangels hat er gezeigt, wie sich Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg verbinden lassen. Im Interview spricht er über Purpose, Profit und wie alles begann.

Interview mit Martin Höfeler

Herr Höfeler, Sie wurden beim German Brand Award 2025 mit dem Ehrenpreis „Brand Manager of the Year“ ausgezeichnet. Wie geht es Ihnen damit persönlich?

Die Auszeichnung hat mich ehrlich gesagt völlig überrascht, denn ich bin kein Brand Manager im klassischen Sinne. Mein Job ist ein stetiges Lernen und Hinterfragen, in dem ein gemeinsam getragenes Wertesystem und der unbedingte Veränderungswille von der Unternehmensführung bis in die Kommunikation im Vordergrund steht. Umso mehr freue ich mich, dass dieser in der Modeindustrie eher unkonventionellere Ansatz gesehen und ausgezeichnet wird.

Eine bescheidene Einstellung in Anbetracht dessen, dass Sie Armedangels 2007 als grünes Fair-Fashion-Label gegründet haben und dieses heute mit Rekordumsätzen den europäischen Markt für umweltfreundliche Mode anführt. Wie begann Ihre Erfolgsgeschichte?

Ich wusste früh, dass es für mich in die Selbstständigkeit geht. An die Uni bin ich, um im Sinne meine Eltern etwas ‚Ordentliches‘ zu machen. Im Studium lernte ich dann Anton Jurina kennen und mit ihm einen Partner, der den Gründungswillen und ähnliche Werte mit mir teilte. Als wir in unserem Büro auf der Mittelstraße in Köln dann das tägliche Treiben sahen, hatten wir unsere Vision vor Augen: In dem vielleicht luxuriösesten Shoppingareal der Stadt sahen wir sehr viele Einkaufstaschen mit den unterschiedlichsten Logos. Toll, dass diese ganzen Marken für etwas stehen, dachten wir uns. Aber welche davon steht für eine Veränderung? Für einen gesellschaftlichen Mehrwert? Das war für uns ein wichtiger Moment, denke ich. Sonst würde ich mich 18 Jahre später wohl kaum daran erinnern, dass wir mit T-Shirts und Spendenprojekten gesagt haben: „Wir müssen eine Marke schaffen, die anders ist.“

Armedangels steht wie kaum eine andere Modemarke für eine konsequente Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele und sozialen Versprechen – das geht von transparenten Lieferketten über faire Arbeitsbedingungen und innovative Recycling-Verfahren. Wie setzen Sie diesen Anspruch mit Ihrem 160-köpfigen Team um?

Das Unternehmen ist nicht am Reißbrett entstanden – hier haben zwei ahnungslose Studenten ohne Business Case, aber mit purem Willen gegründet. Mit der Zeit haben wir natürlich Leute eingestellt, die Vieles besser wussten als wir. Recruiting spielt grundsätzlich eine entscheidende Rolle: Wir vermitteln von Anfang an, wofür wir einstehen und wo wir hinwollen. Jede und jeder einzelne Mitarbeiter*in ist dazu bereit, unsere Mission zu tragen und danach zu agieren. Die begann mit transparenten Lieferketten und der Reise zu den Ursprüngen unserer T-Shirts. Ich spreche aus einer sehr privilegierten Position, während gesundheitsschädliche Akkordarbeit an anderen Orten die Lebensrealität ausmacht. Dennoch und gerade deshalb habe ich den Anspruch an eine Produktionsstätte, dass dort vernünftige Arbeitsbedingungen herrschen, um zu mir selbst zu sagen: „Diesen Job würde ich auch machen. Wenn nicht, würde ich es auch keinem anderen zumuten wollen.“ Den Respekt vor Natur und Menschen erwarte ich auch von meinem Team.

Können Sie diesen Gedanken ausführen?

Ich erinnere mich an eine Situation auf einem Baumwollfeld in Indien. Ein Reporter und ich dokumentierten den Unterschied zwischen dem Anbau von Fair-Trade- und konventioneller Baumwolle. Kinder boten uns Wasser aus einem Brunnen an, der nahe eines behandelten Felds lag. Das Wasser war so unglaublich kontaminiert, sodass man kaum durchgucken konnte. Unsere Guides rieten uns, die Finger davon zu lassen. Gleichzeitig sahen wir den Vater, wie er barfuß ohne Handschuhe eine Flasche Schädlingsbekämpfung auf dem Rücken trug. Das muss man sich einmal vorstellen: Da versprüht jemand ungeschützt und unwissend giftige Chemikalien. Die eigenen Kinder trinken dann wiederum das verseuchte Grundwasser und haben keine Ahnung davon, was sie da eigentlich zu sich nehmen – während uns ein informierter Guide davor warnt. Dieser Moment hat mich so beschämt, weshalb für mich klar war: Es kann nicht sein, dass wir in einer Produktionskette nicht nur die Umwelt zerstören, sondern auch Menschen gefährden.

Hat Ihre Marke auch den Anspruch einer gewissen Aufklärungsarbeit?

Es besteht sogar die Notwendigkeit von Aufklärung. Nicht, weil das jemand vor 18 Jahren von uns verlangt hat, sondern aus der eigenen Überzeugung heraus. Damit kommen wir wieder zum Thema Marke – und Vertrauen. Ich will, dass Kund*innen unsere Marke bewusst und mit Stolz tragen, weil sie über die Problematik von Fast-Fashion Bescheid wissen und Armedangels ihnen eine Problemlösung bietet.

Die soziale Mission, gemeinnützige Partnerschaften, das zirkuläre Wirtschaften – und dennoch wollen Sie kein Social-Business sein. Wie lässt sich Ihr Geschäftsmodell mit Profit vereinbaren? 

Grundsätzlich sind Purpose und Profit zwei völlig unterschiedliche Zielsetzungen. Weil mehr Nachhaltigkeit ehrlicherweise weniger Profitabilität meint – und andersrum. Allerdings wollten wir von Anfang an ein gewinnorientiertes Unternehmen sein, dessen Kerngeschäft nachhaltige Konsummuster fördert. Früher habe ich selbst in Non-Profit-Organisationen (NGOs) gearbeitet und bin mir sicher, dass diese wichtig sind. Gleichzeitig glaube ich, dass das System nur von innen heraus verändert werden kann und deshalb die Art, wie wir wirtschaften, entscheidend ist. Die Profitabilität eines Unternehmens ist extrem wichtig. Nicht zuletzt, um Mitarbeiter*innen einzustellen, um ihnen ein wachsendes Gehalt zu zahlen und das Erwirtschaftete dort einzusetzen, wo wir etwas bewirken können. Profit signalisiert zudem, dass wir unseren Job gut machen. Das Problem ist eher, dass die meisten Unternehmen ausschließlich im Sinne der Gewinnmaximierung und Shareholder-Value handeln. Ich bin der Auffassung, dass Profit nicht maximiert werden musst. 

Wie übersetzt sich der Balanceakt zwischen Gewinnorientierung und nachhaltigem Wirtschaften in die Markenstrategie und den Markenauftritt von Armedangels?

Begehrlichkeit ist ein wesentlicher Faktor. Wir überzeugen Konsument*innen davon, dass Nachhaltigkeit das Richtige ist, indem wir Mode machen, die nicht nur fair und umweltschonend produziert wurde, sondern auch begehrlich ist. Wir nehmen ihnen damit die Entscheidung im Kaufprozess ab: Sehe ich entweder gut aus oder konsumiere ich bedacht? Es muss möglich sein zu sagen: „Wow, das ist ein tolles Teil und dazu noch nachhaltig – umso besser!“ Da Nachfrage nicht ohne Zeitgeist denkbar ist, müssen wir dabei auf modische Trends setzen. Allerdings nur auf die langfristigen, die es braucht, um Nachhaltigkeit á la trojanisches Pferd in die Kleiderschränke zu bekommen.

Die limitierte „Heimspiel“-Kollektion mit dem 1. FC Köln schließt an diesen Gedanken an. Über die fest in der Stadt integrierte Fußballkultur haben Sie nachhaltige Mode in eine große Fangemeinde gebracht. Dabei hat Fußball erst einmal wenig mit Nachhaltigkeit zutun.

Die Zusammenarbeit mit dem 1. FC Köln und speziell mit Lukas Podolski als Botschafter kam unerwartet, das stimmt. Allerdings bringen uns solche Kampagnen kommunikativ raus aus der Nachhaltigkeits-Ecke. Und ich kann das nur wiederholen: Ich bin der festen Meinung, dass wir Menschen mit Begehrlichkeit überzeugen können. Das zeigt sich auch sehr gut mit unserer seit 2018 laufenden Kampagne „DetoxDenim“. Dahinter stecken Jeans, die mit weniger Wasser und ohne schädliche Chemikalien produziert werden. Damals hatten wir das Learning: Menschen kaufen nachhaltige Produkte eher, wenn es sich um ihre eigene Gesundheit dreht. Und alles, was direkten Hautkontakt hat und Chemie enthält kann theoretisch auch in den Körper gelangen. Das kann ja niemand wollen! Kauft man sich nun einen zertifizierten Biowollpulli für den Planeten oder für sich selbst? Im Ende kommt es auf‘s Gleiche heraus. Es ist nur ein anderer kommunikativer Weg. Und ich denke, das muss die Aufgabe von Marketing und Kommunikation sein: Menschen von – in unserem Falle – der richtigen Sache zu überzeugen. 

Was ist ihrer Meinung nach essenziell, um als starke Marke zwischen Greenwashing und Nachhaltigkeit als Trend im Wettbewerb hervorzugehen?

Vertrauen bilden und durch Kommunikation aufrechterhalten. Letztendlich verbirgt sich hinter einem jeden Markenprodukt doch immer auch eine Überzeugung oder eine Geschichte. Wenn man dieser Marke nicht abkaufen kann, was sie erzählt, warum sollte ich den Preis dafür bezahlen? Wir selbst haben von Anfang an offen kommuniziert, dass wir uns einer komplexen Sache angenommen haben. Folglich sind wir etwa auch mit Fehlentscheidungen stets sehr transparent umgegangen, bevor uns ein Medium von außen testen oder kritisch beleuchten musste. Zudem geben wir keine leeren Versprechen. Dass wir Bio-Baumwolle einsetzen, wird die Welt nicht retten. Es ist ein Ansatz und ein Weg. In diesem Sinne ist der Weg das Ziel.

Wo wünschen Sie sich die Modeindustrie in zehn Jahren? 

Ich wünsche mir, dass wir zukünftig nicht mehr des Konsums wegen kaufen, sondern nach Bedarf und aus Überzeugung. Dass es vor allem in der Modeindustrie wieder mehr um Design und um langlebige Produkte geht. Ob das realistisch ist? Ich habe zumindest die Hoffnung, dass wir diesen Wandel schaffen. Allein in Anbetracht der endlichen Ressourcen müssen wir ihn schaffen.


Das Interview führte Dr. Saskia Diehl.