Special Winner 2025

Wenn der Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln Früchte trägt

In jeder Sekunde landen weltweit 80.000 Kg Lebensmittel in der Tonne – zumindest statistisch. Das Social Impact Unternehmen Too Good To Go, das hinter der gleichnamigen App steht, möchte das ändern und sagt der Lebensmittelverschwendung den Kampf an. Ein Ansatz, der den Ehrenpreis Purpose of the Year des German Brand Award 2025 mehr als verdient. Für Katharina Hauke, Geschäftsführerin Too Good To Go, ist diese Auszeichnung ein starkes Signal.

Interview mit Katharina Hauke

Frau Hauke, der German Brand Award gilt als die wichtigste Auszeichnung für erfolgreiche Marken. Was macht Erfolg für Sie aus und wie messen Sie ihn bei Too Good To Go?

Wir definieren Erfolg vor allem durch die Anzahl geretteter Mahlzeiten. Lebensmittelverschwendung ist ja nicht nur ein immenses ethisches Problem, das vermeidbar sein könnte. Das Wegwerfen noch genießbarer Lebensmittel verursacht auch unnötige Kosten für Industrie und Verbraucher*innen. Nicht zuletzt schadet es der Umwelt erheblich, denn jedes verschwendete Lebensmittel bedeutet auch verschwendete und wertvolle Ressourcen. Damit ist die Menge an Lebensmitteln, die unsere Community täglich vor dem Müll rettet, unser wichtigster Erfolgsmesser.

Mit dem Ehrenpreis „Purpose of the Year” würdigt die Jury Too Good To Go als Marke, die selbst Treiber des Wandels ist. Was bedeutet Ihnen eine solche Anerkennung gerade jetzt, knapp zehn Jahre nach der Gründung?

Das ist eine große Freude und Ehre für uns! Denn der Award bestätigt, dass unsere Bemühungen um einen positiven Wandel Wirkung zeigen und wahrgenommen werden. Gerade nach fast einem Jahrzehnt des Bestehens ist diese Anerkennung ein starkes Signal, dass wir auf dem richtigen Weg sind und unsere Mission, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, Früchte trägt. 

Purpose und Wandel: Wie gelingt es Too Good To Go, diese beiden Themen mit Markenführung und Skalierbarkeit zu vereinbaren?

Nachhaltigkeit ist tief in unserer DNA verankert, denn unser Geschäftsmodell ist von Grund auf darauf ausgerichtet, nachhaltig zu sein. Das Besondere dabei ist, dass unser positiver Einfluss mit unserem Wachstum skaliert: Wir wachsen mit einer steigenden Anzahl von Menschen und Partnerbetrieben, die Lebensmittel über uns retten. Das schont wertvolle Ressourcen wie Wasser, reduziert Emissionen und schützt landwirtschaftliche Nutzfläche. Je mehr also gerettet wird, desto besser für die Umwelt.

Wir sehen an unseren Preisträger*innen seit einigen Jahren, dass Haltung und Nachhaltigkeit längst fester Bestandteil des Brandings sind. Wie viel Macht haben Marken, die Welt zu verändern?

Unsere Vision ist klar – und ambitioniert: ein Planet ohne Lebensmittelverschwendung. Diese Zielsetzung ist der Nordstern unserer Arbeit und wird von unserer weltweiten Community von über 100 Millionen Nutzer*innen geteilt und geschätzt. Wir glauben fest daran, dass jede*r Einzelne durch kleine Schritte einen großen Beitrag leisten kann. Marken spielen dabei eine wichtige Rolle, indem sie Menschen motivieren und befähigen, selbst aktiv zu werden. Wenn wir alle gemeinsam handeln, können wir eine bedeutende Veränderung bewirken.

Too Good To Go feiert bald das zehnjährige Bestehen. Was waren die wichtigsten Meilensteine in dieser Zeit?

Zu den bedeutendsten Meilensteinen zählen unsere Expansion in 19 Länder auf drei Kontinenten, wobei jede neue Ländereröffnung ein wichtiger Schritt war. Die Expansion nach Australien im vergangenen Jahr, die den dritten Kontinent darstellte, war ebenfalls entscheidend. Ein weiterer Erfolg ist die Rettung von über 500 Millionen Mahlzeiten weltweit.

Und was waren die größten Hürden?

Die größte Herausforderung ist es noch immer, das Bewusstsein für die Problematik der Lebensmittelverschwendung zu schärfen. Viele Menschen sind sich der Ausmaße und der Umweltfolgen nicht ausreichend bewusst. Die Tatsache, dass global 40 Prozent aller Lebensmittel verschwendet werden – was beispielsweise bedeutet, dass von einer Pizza mit acht Stücken drei direkt entsorgt werden – ist eine erschreckende Realität, die ökologische, ökonomische und soziale Konsequenzen hat.

Worin liegt aus Ihrer Sicht das Hauptproblem unserer Gesellschaft im Umgang mit Lebensmitteln und wie lässt es sich lösen? 

Die Problematik der Lebensmittelverschwendung ist komplex. Man kann sie nicht auf eine einzige Ursache reduzieren. Eine nachhaltige Lösung erfordert das Mitwirken aller Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette. Das beginnt bei jeder einzelnen Person, die beispielsweise Einkäufe plant, um zu Hause weniger wegzuwerfen, geht über lokale Bäckereien, die ihre Produktion besser steuern können, bis hin zu den produzierenden Unternehmen, die ihre Prozesse optimieren müssen. Notwendig sind zudem strengere Gesetze zur Reduktion und verbindliche Messstandards und Ziele.

Welche Faktoren tragen dazu bei, dass Too Good To Go nicht nur eine App ist, sondern auch eine soziale Bewegung mit einer eigenen Community?

Obwohl wir mit unserer App gestartet sind, haben wir uns rasch weiterentwickelt und zusätzliche Produkte und Dienstleistungen eingeführt. Darunter auch eine B2B-Lösung für Unternehmen zur Digitalisierung des Mindesthaltbarkeitsmanagements. Unser politisches Engagement und unsere Aufklärungsarbeit sind wesentliche Bestandteile unserer Identität. Eine unserer größten Kampagnen, „Oft länger gut“, die kein finanzielles Interesse verfolgt, soll Verbraucher*innen dazu anregen, Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu prüfen, auch wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. Diese Initiative wird mittlerweile in 15 Ländern umgesetzt, in Deutschland kooperieren wir dafür mit über 100 Marken.

Seit 2024 rettet To Good To Go auch Tierfutter und neuerdings sogar Pflanzen vor dem Müllcontainer. Außerdem haben Sie Lieferpakete als neuen Vertriebskanal etabliert. Wie wichtig ist diese konsequente Erweiterung des Geschäftsmodells und worauf kommt es dabei an?

Die Erweiterung auf Tierfutter und Pflanzen war für uns ein logischer Schritt, da diese Ressourcen bei Verschwendung auch die Umwelt belasten. Die Einführung der Too Good To Go-Pakete reagiert auf die Nachfrage von produzierenden Unternehmen, die mit überschüssigen Waren zu kämpfen haben, sei es aufgrund kurzer Haltbarkeitsdaten, Verpackungsänderungen oder saisonaler Überproduktion. Da es so ein vielschichtiges Problem ist und es noch zahlreiche Bereiche gibt, in denen wir aktiv werden können, bleiben wir unserer Vision treu und suchen weiterhin nach innovativen Lösungen. 

Wie nutzen Sie Künstliche Intelligenz (KI) im Kampf gegen Verschwendung?

Künstliche Intelligenz spielt eine entscheidende Rolle bei der Optimierung der Planung. Beispielsweise beim Einkauf und der Produktion. Im Falle unserer B2B-Lösung hilft sie etwa Supermärkten erheblich. Unsere KI-gestützte Plattform für das Management des Mindesthaltbarkeitsdatums digitalisiert und automatisiert den bisher manuellen Aufwand der Mitarbeitenden beim Sortieren der Regale. Diese B2B-Lösung ist direkt mit unserer Marktplatz-App verbunden und damit einzigartig. So können Supermärkte Produkte, die kurz vor dem Ablaufdatum stehen, nahtlos in Überraschungstüten von Too Good To Go anbieten. Das stellt sicher, dass diese Produkte rechtzeitig gerettet werden und eben nicht im Müll landen.

Mehr Partnerunternehmen, neue Länder, eine größere Community – die Zeichen stehen auf Wachstum. Welche Ziele hat Too Good To Go für die nächsten zehn Jahre?

Wir sehen noch viel Potenzial in den Ländern, in denen wir bereits aktiv sind. Wir werden unsere Präsenz in den USA, Australien und natürlich auch Deutschland weiter ausbauen, unser Angebot erweitern und weiterhin Aufklärungsarbeit leisten, um das Bewusstsein für Lebensmittelverschwendung und ihre Folgen zu schärfen. Wir träumen von einer Welt ohne Lebensmittelverschwendung. Das kann uns nur gemeinsam gelingen. 

 

Das Interview führte Julia Gundelach.