„Haltung ist keine Kampagne, sondern ein Grundprinzip“

Florian, wann hattest du zuletzt einen echten Markenmoment, bei dem dich eine Marke beeindruckt hat – und warum?
Ich hatte diesen Moment bei den Design Business Days mit Michael Fritz von Viva con Agua. Er sprach in einem Vortrag über Verantwortung, über die Müdigkeit, die entsteht, wenn jede Woche ein neues technisches Heilsversprechen auftaucht. Er beschrieb sehr deutlich, wie schwer es fällt, in diesem permanenten Lärm nicht von dem Weg abzuweichen, den der eigene Kompass vorgibt. Diese Ehrlichkeit hat mich beeindruckt. Ich sah eine Organisation, die nicht auf Wirkung setzte, sondern aus Haltung sprach. Viva con Agua handelt, bevor sie kommuniziert, und genau das macht sie glaubwürdig. Für mich zeigt sie, dass eine starke Marke nicht durch Worte entsteht, sondern durch die Konsequenz ihres Handelns.
Welche Rolle haben Marken 2026 – und was macht starke Marken heute aus?
Sie schaffen Räume, in denen Menschen sich orientieren und beteiligen können. Sie richten ihre Aufmerksamkeit weniger auf Reichweiten und stärker auf Beziehungen. Das wird gerade jetzt relevant, weil wir in den USA beobachten, wie Unternehmen aus Angst vor politischem Gegenwind ganze Diversitätsprogramme zurückfahren. Diese Tendenz zeigt, wie schnell Marken Haltung verlieren, wenn der Druck zunimmt. Eine starke Marke lässt sich davon nicht einschüchtern. Sie versteht Zugehörigkeit als Grundprinzip und nicht als Kampagne. Zugehörigkeit kennt kein Gender, keine Ideologie und keine wechselnde politische Stimmung. Eine Marke bleibt sich treu, auch wenn die Welt versucht, sie in eine Schublade zu pressen. Und sie trifft Entscheidungen mit Mut und Klarheit, statt sich hinter Perfektion oder Angst zu verbergen.
Zehn Jahre Branding: Wie hat sich Markenführung verändert?
Markenführung war früher ein durchgetakteter Prozess mit klaren Regeln und festen Bildern. Heute ist sie ein Lernfeld. Viele Marken kämpfen noch mit dieser Veränderung und treffen Entscheidungen aus Vorsicht statt aus Überzeugung. Die spannendsten Marken der vergangenen zehn Jahre waren nicht die störungsfreien, sondern die lernfähigen. Die Welt ist digital laut geworden und gleichzeitig physisch verletzlich. In dieser Kombination gewinnt wieder das Echte an Bedeutung.
An diesem Punkt spielt Service Design eine wichtige Rolle. Es verschiebt den Fokus von Symbolen hin zu Beziehungen. Es zwingt Marken dazu, nicht nur an ihre Außenwirkung zu denken, sondern an den konkreten Umgang mit Menschen, die mit ihnen leben und arbeiten. Eine Marke bleibt stark, wenn sie Vertrauen nicht einfordert, sondern durch ihr Verhalten verdient hat.
Welche Ratschläge gibst du Markenverantwortlichen, die auch in den nächsten zehn Jahren noch relevant sein wollen?
Ich würde ihnen raten, alte Sicherheiten loszulassen. Verlernen schafft Raum für Neues. Marken wachsen nur, wenn sie Risiken zulassen. Gleichzeitig brauchen sie neue Stimmen, die nicht aus dem alten System stammen: junge Menschen, frische Perspektiven, andere Erfahrungen. Und ich würde ihnen raten, Haltung nicht als Kommunikationsidee zu betrachten.
Wie würdest du die Rolle von Marken 2026 in drei Adjektiven beschreiben?
Ich glaube, Marken müssen 2026 vor allem drei Dinge können: Sie müssen adaptiv sein, unbefangen bleiben und Verantwortung übernehmen. Eine Marke, die adaptiv denkt, versteht Veränderung als Normalität. Sie wartet nicht auf Stabilität, sondern bewegt sich mit dem, was passiert. Eine unbefangene Marke bleibt neugierig. Sie probiert aus, stellt Fragen, erlaubt sich Irrtümer und lernt daraus, statt sich für jede Abweichung zu entschuldigen. Und eine verantwortungsvolle Marke hat ein Gespür dafür, wie Menschen heute leben. Sie trifft Entscheidungen, die Wirkung haben und nicht nur auf dem Papier gut aussehen.



